„Geschlechtervielfalt – ein Segen“

Pastoralkolleg auf den Spuren von Gottes bunter Schöpfung

Büchertisch Geschlechtervielfalt

Es sind viele Hürden, die Theo Adam vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Pastoralkollegs „Geschlechtervielfalt – ein Segen“ aufbaut. Jede Hürde steht für einen Verfahrensschritt, den Menschen durchlaufen müssen, wenn sie ihr Geschlecht ihrem Empfinden und Erleben anpassen wollen. Jede Hürde muss überwinden, wer tief im Inneren erlebt, im eigenen Körper nicht zu Hause zu sein. Mehrere Gutachten sind einzuholen, ein Gerichtsverfahren ist zu bestehen, nicht zu reden von den medizinischen Prozessen. Es ist ein langer, mühsamer Weg zur Transition.

Theo Adam weiß, wovon er spricht. Er ist der erste kirchliche Beauftragte für queere Seelsorge und Beratung, also für alle Menschen, die nicht in das „Mann-Frau-Schema“ passen. Die hannoversche Landeskirche ist damit allen anderen Landeskirchen, weit voraus. Mit seiner Beauftragung ist auch von der Kirche anerkannt, was wissenschaftlich längst Konsens ist: Die Einteilung der Menschen in genau zwei sich wechselseitig ausschließende Geschlechter verkennt nicht nur die Unterschiedlichkeit menschlicher Körper, sondern auch die Komplexität von Geschlecht. Denn Geschlecht entpuppt sich bei Lichte betrachtet als wesentlich vielschichtiger und uneindeutiger, als es das Alltagsbewusstsein suggeriert.

Dies belegten auch die Beiträge der anderen Referierenden während des vom Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung organisierten, fünftägigen Kollegs auf der Nordseeinsel Norderney: Lucie Veith, Beraterin und Aktivistin, warb vehement für die Anliegen intergeschlechtlicher Menschen mit dem Hinweis: „Jeder Mensch wird mit einer spezifischen Geschlechtlichkeit geboren: der eigenen.“  Ruth Hess, Studienleiterin im Zentrum für Genderfragen der EKD, arbeitete theologisch heraus, dass Menschen, die ‚anders‘ leben und lieben, nicht als defizitäre Abweichungen von einer Norm zu verstehen sind, sondern als ein Ausdruck der Vielfalt der Schöpfung. Und Thorsten Maruschke, Pfarrer aus Hagen, stellte den zwölf Teilnehmenden gottesdienstliche Möglichkeiten zur Begleitung und Segnung queerer Menschen vor.

Im Kolleg wurde dies alles auch vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine gesehen: Äußerungen Präsident Putins und des Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I., belegen, dass der Krieg nicht zuletzt darum geführt wird, westliche Werte wie sexuelle Vielfalt und die Gleichstellung verschiedener Lebensformen zurückzudrängen und als „entartet“ zu geißeln. Die Frage der Vielfalt von Geschlechterrollen und der Akzeptanz unterschiedlicher Identitäten ist also nicht ein Nischenthema, sondern steht im Zentrum gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen.

In Workshops und Arbeitsgruppen arbeiteten die Pfarrerinnen und Pfarrer daran, wie sie das Thema, das auch im Institut für Kirche und Gesellschaft bearbeitet wird, in ihre jeweiligen beruflichen Kontexte übersetzen können: Was bedeutet die Wahrnehmung von Geschlechtervielfalt für die Seelsorge, für die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden und für die gottesdienstliche Praxis?

Am Ende landeten die Teilnehmenden beim alten Köl‘schen Motto: „Jeder Jeck ist anders!“, das ‚übersetzt‘ ja etwa lautet: Stehen wir entschlossen ein für die Vielfalt und Buntheit von Gottes Schöpfung.

queer
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Martin Treichel, Landesmännerpfarrer

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