Liebe Leserin, lieber Leser,
Freiheit - Amar-gi. So spricht sich das Wort Freiheit auf Sumerisch aus, der wohl ersten Schriftsprache der Menschheit. Entstanden im Zweistromland, im späten vierten und frühen dritten Jahrtausend vor Christus.
Im Begriff der Freiheit spiegelt sich geschichtlicher Wandel und erstaunliche Kontinuität. Nicht wenige Jubiläen erinnern 2024 daran: „Es zum Grundsatz machen zu wollen, dass für die, die einmal unterworfen wurden, die Freiheit sowieso nichts tauge, ist ein Eingriff in die Hoheitsrechte Gottes, der den Mensch zur Freiheit schuf“, so der vor 300 Jahren geborene Immanuel Kant.
„Die Freiheit der Kirche“, so vor 90 Jahren die Barmer Theologische Erklärung, gründet in ihrem Auftrag an „Christi statt, die freie Gnade Gottes auszurichten an alles Volk“.
„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt.“ […] „Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ Artikel 2 GG.
Und das Verfassungsgericht erläuterte 2021: „Als intertemporale Freiheitssicherung schützen die Grundrechte vor einer einseitigen Verlagerung Treibhausgasminderungslast in die Zukunft.“
Das sumerische Wort für Freiheit meint wörtlich „zurück (gi) zur Mutter (amar)“. Es taucht erstmals auf, wo es um die Schuldsklaverei geht. Eine Missernte konnte erzwingen, sich – mit hohen Zinsen – Saatgut zu leihen. Als Pfand war die eigene Arbeitskraft einzusetzen, oder die der Kinder.
Von Zeit zu Zeit, aber gewährten die Könige, nach Gutdünken oder politischer Opportunität, Schuldenerlasse – dann konnten versklavte Kinder nach Hause zurück. Die Hebräische Bibel knüpft an die Schuldenerlasse des Zweistromlands an. Aber sie macht aus dem Privileg des Herrschers, das Recht eines jeden und einer jeden. Maximal sechs Jahre, dürfen Profit und Wirtschaft menschliche Freiheit einschränken.
„Wenn dein Bruder, … sich dir verkauft, so soll er dir sechs Jahre dienen, im siebten Jahr aber sollst du ihn freilassen … und ihn nicht mit leeren Händen ziehen lassen. Und du sollst daran denken, dass du Sklave warst im Land Ägypten und dass der Herr, dein Gott, dich befreit hat. Darum gebe ich dir heute dieses Gebot.“ (5. Mose 15, Vers 12f.15).
Freiheit. Ein Recht und ein Ideal, Realität und Hoffnung, gegründet in Bindung, gelebt im Gegenüber zu einer Gemeinschaft, begrenzt von der Freiheit anderer – auch künftiger Generationen – und nur wirklich, wenn sie allen gilt.
Amargi – Rückkehr zur Mutter – Freiheit - kein Privileg. Weniger, die Gnade vor Recht ergehen lassen, sondern genau umgekehrt: Freiheit ist ein Recht, das in Gnade gründet.
Wir sind so frei. Alle. Gott sei Dank.
Ihr
Dr. Jan-Dirk Döhling
Institutsleiter und Dezernent für Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche von Westfalen